Freitag, 28. Januar 2011

LSG Nordrhein-Westfalen: Lotteriegewinn wird auf Hartz IV-Leistungen angerechnet


Der Lotteriegewinn eines Hartz-IV-Empfängers mindert seinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung, weil der Gewinn darauf als Einkommen anzurechnen ist. Dies entschied das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen.

Der hilfebedürftige Kläger hatte in der Lotterie "Aktion Mensch" 500 Euro gewonnen. Der zuständige Leistungsträger rechnete diesen Gewinn in zwei Monaten jeweils mit 250,00 € als Einkommen an und verminderte insoweit das ALG II.

Zunächst in erster und nun auch in zweiter Instanz unterlag der Kläger. Die Richter des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen bestätigten, dass der Gewinn Einkommen ist und damit die Hilfebedürftigkeit des Klägers verringerte.


Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.02.2010, Aktenzeichen: L 19 AS 77/09


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Freitag, 21. Januar 2011

Umgangsrecht auch am Geburtstag des Kindes


Ein Vater, der nicht bei seinen Kindern lebt und ein vereinbartes regelmäßiges Umgangsrecht hat, muss auf einen turnusmäßig anstehenden Besuchskontakt mit seinem Kind nicht verzichten, weil das Kind an besagtem Tage seinen Geburtstag feiert, und die Mutter die Einladungen zu der Feier bereits verschickt hat.

Das Saarländische Oberlandesgericht hat in einem diesen Fall betreffenden Beschluss, der in dieser Woche veröffentlich worden ist, auf Antrag des Vaters gegen die Mutter ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 € festgesetzt.

Zur Begründung verwies das Saarländische Oberlandesgericht darauf, dass Umgangsvereinbarungen nur Sinn hätten, wenn sie strikt eingehalten würden. Ständige Auseinandersetzungen um die Besuchskontakte seinen zu vermeiden, weil sie dem Kindeswohl schaden würden. Daher sei es auch gerechtfertigt, durch ein Zwangsgeld deutlich zu machen, dass Verstöße gegen solche Vereinbarungen von den Gerichten nicht hingenommen würden. 

Saarländisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 26.11.2010, Az. 6 WF 118/10

Donnerstag, 20. Januar 2011

Hartz IV: Sanktionen nur möglich, wenn Rechtsfolgenbelehrung in der Eingliederungsvereinbarung konkret, verständlich, richtig und vollständig ist

Die Eingliederungsvereinbarung soll helfen, zwischen Hilfebedürftigem und Behörde eine klare Grundlage zu schaffen, auf der die Rückführung des Hilfebedürftigen in Arbeit sowie dessen Förderung und Existenzsicherung erfolgen soll. Was geschieht allerdings, wenn dem Arbeitslosen Verletzungen der Eingliederungsvereinbarung vorzuwerfen sind. Sanktionen? Sicher, aber nur, wenn er zuvor auf Folgen hingewiesen worden ist.

Hierzu hat das Bundessozialgericht aktuell Folgendes gesagt:

„Die in § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II genannten Sanktionstatbestände setzen sämtlich voraus, dass der Hilfebedürftige über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung belehrt worden ist. Der 4. Senat des BSG hat bereits entschieden, dass Rechtsfolgenbelehrungen konkret, verständlich, richtig und vollständig sein müssen. (…)
Auch der erkennende Senat schließt sich dem an. Zu fordern ist insbesondere eine konkrete Umsetzung auf den Einzelfall, sodass die Aushändigung eines Merkblatts mit abstrakt generellem Inhalt nicht ausreicht. Diese strengen Anforderungen sind insbesondere im Hinblick auf die gravierenden Folgen des § 31 Abs 1 SGB II im Bereich der existenzsichernden Leistungen zu. (…)

Schon die Gesetzesbegründung knüpft hieran an, indem sie darauf hinweist, dass die Rechtsfolgenbelehrung die Funktion haben soll, dem Hilfebedürftigen in verständlicher Form zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch die in § 31 Abs. 1 SGB II genannten Pflichtverletzungen haben werden. Die Belehrung soll zeitlich vor der Pflichtverletzung liegen (BT-Drucks 15/1516 S 61 (zu Abs 2)). Im Hinblick auf die Sperrzeittatbestände hat das BSG entschieden, dass die Rechtsfolgenbelehrung als Voraussetzung für ihre Wirksamkeit konkret, richtig, vollständig und verständlich sein und dem Arbeitslosen zeitnah im Zusammenhang mit einem Arbeitsangebot zutreffend erläutern muss, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch eine unbegründete Arbeitsablehnung haben kann. Dabei hat das BSG den zwingenden formalen Charakter der Rechtsfolgenbelehrung betont und dies aus dem übergeordneten sozialen Schutzzweck abgeleitet, den Arbeitslosen vor den Folgen einer Pflichtverletzung (insbesondere einer sperrzeitbegründenden Arbeitsablehnung) zu warnen. Der Warnfunktion der Rechtsfolgenbelehrung kommt im Bereich des SGB II noch eine größere Bedeutung zu als im Bereich der Arbeitsförderung. Der soziale Schutzzweck, aus dem das BSG die Anforderungen an die Rechtsfolgenbelehrung herleitet, spielt bei existenzsichernden Sozialleistungen, wie denen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, typischerweise eine noch größere Rolle als bei den klassischen Leistungen des Arbeitsförderungsrechts.

Die der Klägerin bei Abschluss der Eingliederungsvereinbarung erteilte Rechtsfolgenbelehrung genügt diesen Anforderungen nicht. Die Rechtsfolgenbelehrung erfolgte zwar nicht lediglich mittels eines gesondert ausgehändigten Merkblatts, sondern war Bestandteil der Vereinbarung. Die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung wurden jedoch nicht hinreichend konkret aufgezeigt. Die Belehrung erschöpfte sich vielmehr im Wesentlichen in der Wiedergabe des Gesetzestextes. Damit nannte sie eine Vielzahl von Sachverhaltsvarianten, die keinen Bezug zu den konkreten Pflichten der Klägerin aufwiesen. (…)“

 Das Urteil bietet zudem eine ausführliche Wiedergabe vom Stand der Instanzrechtsprechung und Literatur zu dieser Frage.

Bundessozialgericht, Urteil vom 18.02.2010, B 14 AS 53/08 R, soeben erst veröffentlicht.

Der Volltext ist hier zu finden:


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Montag, 17. Januar 2011

Hartz IV: Regelmäßiges Umgangsrecht rechtfertigt Umzug des Vaters in größere Wohnung

Nimmt ein Vater das Umgangsrecht mit seinem Kind regelmäßig wahr, kann dies den Umzug in eine größere Wohnung rechtfertigen.

Der Kläger ist ALG-II-Empfänger, seine elfjährige Tochter verbringt jedes zweite Wochenende und die Hälfte der Schulferien mit ihm in seiner 40qm großen Wohnung. Das Jobcenter Dortmund lehnte eine Zusicherung für die Übernahme der Kosten einer 64 qm großen Wohnung ab, weil der Umzug in eine neue Unterkunft nicht notwendig sei.

Demgegenüber entschied das Sozialgericht Dortmund in einem Eilverfahren, dass der Umzug sehr wohl gerechtfertigt sei. Es handele sich bei dem Antragsteller und seiner Tochter um eine temporäre Bedarfsgemeinschaft, für die eine Wohnung von 40qm zu klein sei. Dies gelte umso mehr, als es sich um einen Vater und eine elfjährige Tochter handele, die ein zumindest kleines eigenes Zimmer benötige.

Die Eilbedürftigkeit zum Erlass der einstweiligen Anordnung begründet das Sozialgericht damit, dass die Zusicherung der Kostenübernahme auf ein konkretes Wohnungsangebot begrenzt sei und dieses nicht für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens aufrecht erhalten werde. Die streitgegenständliche größere Wohnung sei nur bis zum 31. Dezember 2010 reserviert und könne ab dem 1. Januar 2011 gemietet werden.

Sozialgericht Dortmund, Beschluss vom 28.12.2010, Aktenzeichen: S 22 AS 5857/10 ER

Vaterschaftsprüfung: keine VKH mit Anwaltsbeiordnung


Wenn in einem Abstammungsverfahren auf Feststellung der Vaterschaft nur zu entscheiden ist, ob der Antragsgegner der Vater der Antragstellerin ist und ob die Kindesmutter in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehr mit dem Antragsgegner hatte, ist diese Sach- und Rechtslage so einfach, dass im Wege der Verfahrenskostenhilfe (Prozesskostenhilfe) ein Rechtsanwalt hierzu nicht beizuordnen ist. Das einzuholende DNS-Abstammungsgutachten ist auch für Laien wegen der einfachen Fragestellung und der eindeutigen Antwort ohne Weiteres selbst zu verstehen.

Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss vom 05.01.2011 - 11 WF 342/10

Mittwoch, 12. Januar 2011

Sorgerecht – Umgangsrecht: aktuelle Urteile zum stets heftig umstrittenen Recht

Die Eltern haben das Recht und die Pflicht, sich um ihre Kinder zu sorgen, sie zu versorgen, zu erziehen und aufzuziehen. Das ist natürlich und dürfte jedem ohne Weiteres einleuchten.

Quasi systemimmanent problematisch ist aber dieses Recht im Falle von Trennung und Scheidung. Zwar ist es seit geraumer Zeit gesetzlicher Normalfall, dass getrennte oder geschiedene Eltern das gemeinsame Sorgerecht behalten; jedoch geht mit einer Trennung sehr häufig einher, dass die gemeinsame Basis der Eltern verloren gegangen ist, was sich natürlich auch auf die Grundlage zur Erziehung der Kinder auswirkt.

Außerdem tauchen oftmals auch bei gemeinsamem Sorgerecht die alltäglichen Probleme des Umgangs auf: wie oft, wann und wo darf der Elternteil seine Kinder sehen, mit ihnen umgehen, bei dem sie nicht regelmäßig leben? Das ist konfliktgeladen und oftmals instrumentalisiert für Zwecke, die sich allein auf der Elternebene abspielen und gleichwohl den Kindern schaden.

Schließlich gibt es die Fälle, die immer wieder aktuell in der Presse veröffentlicht werden, in denen es schlimme Verfehlungen von Eltern ihren Kindern gegenüber gibt. Wie wirkt sich so etwas auf Sorgerecht und Umgang aus?

Quasi permanent fällen deutsche Familiengerichte zu allen erdenklichen Einzelfragen in diesem Bereich Beschlüsse. Einige aktuelle Beschlüsse von Obergerichten aus Dezember 2010 sollen hier exemplarisch genannt werden:


Der Entzug der elterlichen Sorge gegenüber der Mutter und Fremdunterbringung der im Haushalt der Mutter lebenden Kinder ist gerechtfertigt, wenn die Mutter sich nur eingeschränkt um die Grundversorgung ihrer Kinder kümmern kann.
Die unter Betreuung stehende Mutter war in dem zugrunde liegenden Fall außerstande, für ausreichende Nahrungsmittel im Haushalt zu sorgt, den Kindern altersangemessene Grenzen zu setzen und konnte ihr Kinder die Kinder nicht vor dem Alkoholproblem ihres Lebenspartners schützen kann. Der rechtliche Betreuer der Mutter konnte vorliegend keine durchgreifende Änderung in dieser Versorgungssituation zu bewirken.
Zwar wollten die Kinder weiterhin bei der Mutter leben; da ihr Kindeswohl aber erheblich gefährdet sei, setzte sich das Gericht über diesen Wunsch hinweg.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.12.2010 - 10 UF 176/09

Das Umgangsrecht des Vaters kann wegen Gefährdung des Kindeswohls auf Briefe und Fotos u. dgl. beschränken werden, wenn die betroffenen Kinder deshalb stark traumatisiert sind, weil sie miterleben mussten, dass und wie der Vater gewalttätig zur Mutter gewesen ist, und der unmittelbare persönliche und telefonische Kontakt zum Vater negativen Einfluss auf die seelisch-geistige Entwicklung der Kinder haben können. Das gilt bereits dann, wenn nach dem Bericht des Jugendamtes die Kinder den Kontakt zum Vater ablehnen, weil sie Angst vor ihm haben.
OLG Köln, Beschl. v. 06.12.2010 - 4 UF 183/10

Ein rückwirkender Entzug der elterlichen Sorge kommt regelmäßig nicht in Betracht. Eine Kindeswohlgefährdung, die die Entziehung des Sorgerechtes erforderlich macht und rechtfertigt, liegt vor, wenn eine gegenwärtige oder zumindest unmittelbar bevorstehende Gefahr für die Kindesentwicklung abzusehen ist, die bei ihrer Fortdauer eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt.
Damit sind Fallgestaltungen nicht denkbar, unter denen eine Maßnahme für die Vergangenheit getroffen werden kann. Insbesondere kann ein Entzug ohne Anhaltspunkte für eine künftige Kindeswohlgefährdung nicht darauf gestützt werden, dass das Kindeswohl in der Vergangenheit gefährdet war, etwa weil sich der Sorgeberechtigte geweigert hat, Hilfe zur Erziehung für eine zwischenzeitlich erledigte Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie zu beantragen.
OLG Zweibrücken, Beschl. v. 03.12.2010 - 2 UF 59/10